Samstag, 25. November 2006

+ Haste Bock?

Jetzt? Sofort? Weiß nicht!

Oja, da leuchten die Augen. Diese Schäfchen sind ja auch zu knuddelig. Und erst die realistischen Farben ... auf deren Rücken. Rot, blau, grün und gelbe Punkte, so wie im Vereinigten Königreich. Da kommen Schafe sowieso schon gepunktet auf die Welt. Farbkleckse für alles mögliche: Eigentümer, Spritze A, Impfung C, Schlachter D. So verläuft das Leben eines Schafes auf der Insel, wenn es nicht vorher an Scrapie stirbt. Da ist das Leben als Schaf auf der Zochschen grünen Wiese doch viel schöner und vor allem gemütlicher.
Letztes Jahr hieß HASTE BOCK? noch SHEAR PANIC und war ein Tipp der Messe. Schon vor der Messe per Vorbestellung ausverkauft, man glaubt es kaum. Trotzdem hat es SHEAR PANIC nicht auf den Spieltisch geschafft. Lag es an der Regel, die nur auf Englisch ist? An der viel zu winzigen Schrift? An den vielen Seiten? Oder nur daran, dass es wenig Sinn macht, über ein vergriffenes Spiel zu schreiben. Ich warte doch gerne auf die Neuauflage, denn gute Spiele kommen wieder.
Jetzt liegt es mit leserlicher Regel auf Deutsch vor. Also wird HASTE BOCK? das erste Spiel nach der Messe. Jeder hat zwei Schafe – mit der obligatorischen Farbe auf dem Rücken, nur das schwarze Schaf ist durch und durch schwarz. Die Farbe macht die Schafe der Herde unterscheidbar, denn in vier Durchgängen müssen sie bestimmte Aufgaben erfüllen. In Phase 1 sollten sie tunlichst orthogonal nebeneinander stehen, in Phase 2 möglichst in der ersten Reihe vor dem wundervollen Widder stehen, in Phase 3 neben dem schwarzen (neutralen) Schaf weiden und sich in der letzten Phase möglichst weit weg vom Schafscherer aufhalten. Die Aufgaben sind klar umrissen.
Alle Schafe, eigene und fremde, werden durch kleine Kärtchen bewegt. Ein Schaf ein Feld ziehen, eine ganze Reihe bewegen oder alle bis zu einer Linie aufrücken lassen, immer mit dem Ziel, die Aufgabe in der jeweiligen Phase zu erfüllen. Es gibt Kärtchen, die bringen Leben auf die Weide: Wenn man zum Bocksprung ansetzt oder die Herde auf Kommando die Blickrichtung ändert. Und auch das Ziehen an eine Linie macht wesentlich mehr her, als der Gänsemarsch einer Reihe um ein Feld. Ganz zu schweigen von „Ziehe auf ein angrenzendes freies Feld.“ Das ist schon alles. Nach und nach erschließen sich auch die Bedeutungen der Aktionskarten.
Ganz am Anfang und im Spielverlauf immer mal wieder wird ein Schaf ganz wild. Es rennt einfach volle Kanne auf ein oder mehrere Schafe zu. Die ganze Reihe macht einen Satz um ein Feld. Das funktioniert wunderbar in alle Richtungen. Weiß doch jeder, dass Schafe einen guten Rückwärtsgang haben. Welches Schaf rammt, entscheidet ein Farbwürfel. Und wann gerammt wird, die Kärtchen. Zusätzlich zu jeder Aktion bewegt sich der Zeitstein. Kommt er auf ein Schafpanik-Feld zu stehen, kommt Unruhe in die Herde. Außerdem wird über den Zeitstein auch die Phasenabfolge geregelt.
Oja, man kann schon viel über den eigenen Zug nachdenken. Und dann wartet man wieder, bis man an die Reihe kommt. Was zwischendurch passiert ist bestenfalls interessant, aber meistens ohne Bedeutung. So tröpfelt das Spiel dahin. Zweifel kommen auf, warum das SHEAR PANIC so bejubelt wird. Und das erlebe ich nicht nur in der Runde der Profispieler. Da kommt das Spiel sogar noch viel besser an, als in meinen Otto-Normal-Runden. Nach anfänglicher Begeisterung über das wirklich schöne Material macht sich erst Ernüchterung und dann Enttäuschung breit. Und einer stellt bestimmt die entscheidende Frage: Würde man HASTE BOCK? auch spielen, wenn nicht so tolle Schafe dabei wären? Zum Glück kann ich mich um eine Antwort auf diese Frage drücken, denn es gibt kein HASTE BOCK? ohne knuddelige Schafe.

Wolfgang Friebe

HASTE BOCK? von Gordon und Fraser Lamont für 2 bis 4 Personen, Zoch 2006


Zuerst veröffentlicht in der Fairplay

Donnerstag, 23. November 2006

+ On the Underground

Ohne Umsteigen zum Ziel

Für die Londoner Tube hätte ich mir einen interaktiven Spielplan gewünscht. Einen, der dem Passagier automatisch den Weg zum Ziel zeigt. Die richtige Verbindung leuchtet einfach auf, wenn man den Passagier am Kopf und das Zielfeld berührt. TOUCH AND PLAY à la Ravensburger, das wäre hier mal was. Es muss gar nicht der kürzeste Weg sein, es müsste nur der Weg sein, den ein echter Londoner bevorzugen würde. Aber wer kennt sich in London so gut aus, kennt alle Umstiegsmöglichkeiten, alle Linien? Es bleibt Ihnen nichts übrig, Sie müssen den Plan studieren ... zumindest für den zweiten Teil Ihres Zugs, wenn sich der Passagier bewegt.
Wohin er fährt, bestimmen vier Zielkarten. Die erste Wahl fällt immer auf eine Karte mit Expressbahnhof, sofern vorhanden. Expressbahnhöfe liegen näher zum oder im Zentrum Londons. Faulheit siegt, deshalb bevorzugt der nette Londoner immer eine Verbindung zum naheliegensten Ziel, das muss nicht das nächstgelegene sein. Wohin er fährt, ergibt sich aus seinen Vorlieben. Ein echter Londoner geht grundsätzlich möglichst wenig zu Fuß und bevorzugt Linien, die direkt zur Zielhaltestelle fahren. Umsteigen hasst er wie die Pest. Leider gibt es in Münster keine U-Bahn, aber ich würde es bestimmt genauso machen.
Wo muss er hin? Er startet immer von der Station, die er zuletzt besucht hat. Haben Sie die neuen Stationen auf dem Schirm? Gibt es mehrere Linien, die seinen Vorlieben entsprechen, haben Sie die Wahl. Natürlich fährt er dann über Ihre Linien, das bringt für jede benutzte Linie einen Punkt. Manchmal fährt er auch über die Linien der Mitspieler, manchmal sogar ausschließlich. Dann gehen Sie beim Fahren leer aus, und die anderen erhalten die Punkte. Ist der Expressbahnhof abgehandelt, fährt er nochmal, aber dann zu einer normalen Station. Das Spiel steuert den Passagier nach immer gleichen Regeln. Jeder kann mit dem Passagier im Schnitt null bis zwei Punkte machen, die Differenz zum Führenden ist dabei entscheidend. Über zentrale Linien fährt der Passagier viel häufiger, da sind bei jeder Fahrt Punkte drin. Das läppert sich. Aber letztlich entscheidend ist die Kombination der ausliegenden vier Zielkarten. Ist der Kartenstapel abgearbeitet, sind alle Fahrten gemacht, steht der Gewinner fest.
Überschätzen Sie aber den Passagier nicht. Dessen Fahrten bilden eher die taktische Komponente, denn es gibt ja noch den ersten Teil Ihres Zugs. Da bauen Sie an den Linien der Londoner Underground. Je nach Anzahl der Mitspieler baut jeder mindestens an zwei, zu zweit sogar an vier verschiedenen Linien. Streckenbau erfordert eher strategische Entscheidungen. Natürlich kann man mit einem geschickt platzierten Streckenabschnitt den Passagier auf eine eigene Linie locken, doch man kann auch anders punkten, indem man Verbindungen schafft.
Verbindungen zu zwei gleichen Verbundmarkern, die anfangs zufällig rund um die Innenstadt platziert werden. Verbindungen in die Außenbereiche – zu den Endstationen. So eine Verbindung wird sogar noch mit einem Weichen-Marker belohnt. Nur mit Weiche sind Abzweigungen möglich, weil ansonsten die Linie nur an deren beiden Enden verlängert werden darf. Und Anschlüsse an Bahnhofe mit Übergang zur Eisenbahn sind auch nicht schlecht. Richtig viele Punkte sind mit einer komplett geschlossenen Ringlinie drin. Jeder U-Bahnhof, der innerhalb der Ringlinie und nicht Teil der Strecke ist, bringt einen Punkt. Da sind bis zu 10 Punkte auf einen Schlag drin, aber nur wenn die anderen nicht aufpassen und man noch genügend Schienen zur Verfügung hat.
Gerade als Vierter oder Fünfter einer Partie sollte man auf Endstationen und Bahnhöfe spielen. Bevor man selbst an die Reihe kommt, sind bis zu sechs oder acht Fahrten gelaufen. In jeder voran gegangenen Runde hat sich der Passagier schon ein, meistens zwei Mal bewegt. Da ist man sowieso leer ausgegangen, weil man selbst noch keine einzige eigene Schiene auf dem Plan hat. Allerdings starten die hinten sitzenden Spieler auch mit einem kleinen Punktevorsprung.
Die Ringlinie lohnt sich für hinten sitzende Spieler nicht wirklich. Endhaltestellen sind viel interessanter, da weniger aufwendig und mit dem Weichen-Bonus versehen. Außerdem sind Linien in die Londoner Vorstädte nicht so umkämpft, wenn nicht noch jemand diese Taktik fährt. Da kann man gut die einzige Verbindung aufbauen, irgendwann fährt der Passagier ja auch dorthin. Wenn im Zentrum bis zu fünf verschiedene Linien zwischen zwei Stationen möglich sind, fährt meistens nur eine einzige Linie in die Vorstädte.
Jeder kann bis zu vier Schienen legen, da hat man als Startspieler schon deutliche Vorteile und kann je nach Zielbahnhöfen mehrfach Punkte für die ersten Passagierfahrten kassieren. Also muss, wer hinten sitzt, sich eine andere Strategie überlegen, sonst ist man oft chancenlos. Man sollte aber immer im Hinterkopf haben, dass es je nach Farbe nur 20 bzw. 15 Schienen gibt und einem die Schienen für eine Ringlinie schneller als gedacht ausgehen können. Auch Weichen schaffen schnell gewisse Zwänge, weil man mit Nebenstrecken schon (zu) viele Schienen verbaut hat. Weichen bekommt man gratis beim Anschluss einer Endhaltestelle und auch, wer nicht alle vier Schienen platziert. Für jede ausgelassene Schiene gibt es eine Weiche.
ON THE UNDERGROUND ist in den ersten Partien eher harmlos, weil man sich nicht so stark in die Suppe spuckt und viel zu sehr auf den Passagier achtet. Außerdem ist man anfangs sehr mit eigenen Plänen beschäftigt. Das kennen Sie sicher schon aus ZUG UM ZUG. Bei ON THE UNDERGROUND ändert sich das aber mit der Zeit, wenn man die strategische Komponente des Streckenbaus entdeckt hat und weiß wie viele Punkte damit zu machen sind. Zu zweit und zu dritt spielt es sich deutlich anders als zu viert und fünft. Es gibt ein paar Finessen und Strategien, die je nach Spielerzahl unterschiedlich stark sind.
ON THE UNDERGROUND ist ein Spiel, das mir gefäll. Besonders zu zweit und dritt entwickelt es die richtige Tiefe. Trotzdem empfanden es viele meiner Mitspieler als zu harmlos und zu langwierig. Sie störte das ewige Gesuche der naheliegendsten Station. Außerdem zog sich das Spiel in ihren Augen hin, weil man so gar nichts machen kann, wenn man nicht an der Reihe ist, außer man diskutiert fleißig darüber, was denn nun wirklich die richtige Strecke ist. Jede Diskussion kostet Zeit, die das Spiel verlängert. Mitunter ist nicht wirklich auf den ersten Blick ersichtlich, welche Linien der Passagier nehmen muss. Dafür haben meine Mitspieler ja mich, ich sag' denen immer wo es lang geht. Wahrscheinlich mögen sie deshalb mein neues Lieblingsspiel nicht. Ich kann aus dem Eff-Eff Passenger's most suitable route nennen. Ich bin deren interaktiver Spielplan.
Apropos Spielplan, der ist wirklich riesig für so eine kleine Schachtel. Er besteht aus acht knapp DIN A4 großen Teilen, die sich durch siebenmaliges Falten zusammenklappen lassen. Nicht nur der riesige Plan macht Eindruck - auch Karten, Weichen, Marker - alles ist perfekt gestaltet.

Wolfgang Friebe

ON THE UNDERGROUND von Sebastian Bleasdale für 2 bis 5 Personen, JKLM und Rio Grande Games 2006

Zuerst veröffentlicht in der Fairplay

Mittwoch, 22. November 2006

+ Gift Trap

Daran kann man vorbei laufen, das kann man übersehen. Bunt und poppig ist die kubische Schachtel, sieht gar nicht mittelalterlich aus. Außerdem sind in der Schachtel auch noch acht pastellfarbige Strumpfsäckchen. Schnelles Fazit: Auf gar keinen Fall ein Spiel für echte Spieler. Außerdem: Stein Thompson, was haben die schon vollbracht außer Werbung? Ein Freund musste mich drauf hinweisen, dass es a) GIFT TRAP auch auf deutsch gibt und b) GIFT TRAP ein KoKa-Spiel ist. Sie kennen doch TABU und ACTIVITIY? KoKa steht bei uns für kommunikative Kacke, ist immer noch hoch im Kurs in den Runden mit unechten Spielern.
Der Name verrät: Es geht um Geschenke, um tolle und dämliche. Wer hat sich in Ihrem Alter nicht schon immer eine Eintrittskarte für ein Rave-Konzert gewünscht? Oder eine eigene Kletterwand? Gute Geschenke werden belohnt, Schenker und Beschenkter kommen voran. Ist es „great“, geht es satte 3 Punkte auf der Punktleiste vor. Wenn's aber „no way“ ist, für mich wären das Lederslipper, geht es 4 Felder zurück. Mitgefangen – mitgehangen, obwohl ich nichts für den schlechten Geschmack meiner Mitspieler kann.
Der Witz sind die beiden Punktleisten. „Get“ für die erhaltenen und „Give“ für gemachte Geschenke. Nur wenn beide Geschenkschachteln auf dem Feld „Gifted“ angekommen sind, hat man gewonnen. Da zeigt es sich dann, wer der beste Schenker ist UND wer sich am besten beschenken lässt. Ein guter Schenker weiß genau, was die anderen wünschen. Wer lieber viel von sich erzählt, bekommt wahrscheinlich die besten Geschenke, bleibt aber mit „Give“ zurück.
Aber was schenken wir? Aus vier Kartenstapeln – auf jeder Karte vorne und hinten ein Foto – werden die Geschenke ausgewählt. Aus dem gelben Stapel kommen Allerweltsgeschenke, aus dem schwarzen schon richtig teure Geschichten. Blau und rot bilden die obere und untere Mitte. Es wird immer ein Geschenk mehr auf den Plan gelegt, als Mitspieler teilnehmen. Bei der Verteilung sollte man schon gute Miene zu bösem Spiel machen, um nicht vorab zu viel zu verraten. Danach werden die Geschenke gemacht, jeder bekommt von jedem ein Plättchen mit der Nummer des vermeintlich besten Geschenks. Anschließend verteilen alle vier runde Marker verdeckt auf die Geschenke: Great (+3), very good (+2), good (+1) und das unschöne no way (-4). Dann folgt die Stunde der Wahrheit.
... und GIFT TRAP zeigt sich von seiner allerbesten KoKa-Seite. Wer findet was toll? Und was ist völlig beknackt? Liegt man richtig oder voll daneben? Selbst wenn man sich gut kennt, sind immer noch Überraschungen drin. Entsprechend groß ist das Hallo, wenn sich jemand etwas völlig Abseitiges wünscht und sich dann damit rausreden will, dass er mit der Ablage der Punktechips durcheinander gekommen ist. Wer's glaubt!? Es wird auf jeden Fall viel gelacht. Nur mit unsympathischen Leuten braucht man GIFT TRAP gar nicht erst zu spielen. Positive wie negative Sympathien werden durch das Spiel nur verstärkt. Ein kleines Manko: Die Punktwertung ist kompliziert. Wer geht mit welcher Figur wie viele Felder voran oder zurück? Volle Konzentration ist dann alles. Und dass mir niemand vergisst, wer welche Farbe hat! (wf)
m
GIFT TRAP von Nick Kellet für 3 bis 8 Personen, Neuauflage in Deutsch von Heidelberger, ursprüngliche Ausgabe Stein Thompson 2006 (deutsche Ausgabe) und GiftTRAP Enterprises 2006 (englische Ausgabe, www.gifttrap.com),

Zuerst veröffentlicht in der Fairplay

+ Desert Bazaar

Falsche Farben in der Wüste

Rot ist eigentlich braun oder ist es umgekehrt? Jedenfalls darf man für jedes rote Farbsymbol eine braune Kamelkarte nehmen ... was ein Rohstoff für ein neues Zelt ist. Drei Würfel bestimmen, welche Rohstoffkarten man bekommt. Es sind aber nicht zwangsläufig drei Rohstoffe, außer man würfelt drei gleiche Farben und keine Nieten. Einmal darf man nachlegen, aber wer zum herausgelegten Blau nicht mindestens noch einmal Blau würfelt, verliert alles. Damit man nicht ganz leer ausgeht, bekommt man vorab immer eine Karte nach Wahl. Üblicherweise wird man immer erst Rohstoffkarten horten, bevor man in der Wüste ein Zelt errichtet. Also entweder Rohstoffe bunkern oder Zelte aufstellen.
Wer immer zelten gehen will, braucht zunächst ein Fernglas, besser eine Lupe. Auf den kleinen sechseckigen Zeltplättchen befindet sich nämlich auch eine sehr winzige Tricolore, deren drei Farben vorgeben, welche Rohstoffkarten für dieses Zelt erforderlich sind. Blau und grün lässt sich nicht nur wegen der winzigen Farbflecken der Tricolore bei Kunstlicht bestens auseinanderhalten.
Jedenfalls braucht man immer drei Rohstoffkarten, wenn man das erste einsame Zelt eines kommenden Zeltlagers errichtet. Immerhin winken satte zwei Pluspunkte für diese Glanztat. Steht erstmal ein Zelt in der Wüste, darf jeder anbauen, maximal sieben Zelte umfasst ein Lager. Die Rohstoffkarten in den Farben der benachbarten Zelte kann man sich beim Anbauen sparen. Ist das erste Zelt rot und ein zweites daneben blau, braucht man für ein angrenzendes Zelt keine blaue und rote Karte, sondern nur noch die fehlende Farbe. Das spart Ressourcen, außerdem wird das siebte Zelt des Lagers mit einem Bonuspunkt belohnt. Da kann man sich selbst eine Vorlage legen und gleich mehrere Zelte ganz billig und in einem Rutsch errichten. Für alle Zelte in einer Siebenergruppe erhalten deren Besitzer ebenfalls einen Punkt, auch der erste und der letzte Zeltbauer. Und ganz am Ende, wenn kein Zelt mehr auf den Campingplatz passt, regnet es für die Besitzer der meisten Rohstoffkarten einer Sorte zwei Siegpunkte. Wer dann auf der Siegleiste am weitesten um die sechseckige Wüste herum gekommen ist, gewinnt den DESERT BAZAAR.
So weit, so gut und auch so gut gedacht. Wenn doch nur nicht ... die Mängel in der Farbgebung wären und auch sonst mehr Interaktion wäre. Bei einem BAZAAR stelle ich mir mehr vor, als nur würfeln oder bauen. So tröpfelt das Spiel dahin, wer was macht ist von einer gewissen Belanglosigkeit. Diese Wüste ist öde.

DESERT BAZAAR von Brian Yu für 3 bis 5 Personen, Mattel 2006


Zuerst veröffentlicht in der Fairplay

+ Voltage

Spannung Made in US

Die Anleihen sind unverkennbar – bei der Kosmos 2er-Serie und auch an LOST CITIES. Nun ja, warum sollte man auch nicht auf Bewährtes setzen, wenn man neu startet. Ich hätte Mattel alles zugetraut, nur nicht dass sie sich auf den Markt der German Games begeben und richtige Spiele produzieren. Jedenfalls Spiele, die für richtige Spieler sein sollen. Auch wenn das Pflänzchen ganz verborgen blühte, in Essen war der Autor und gleichzeitiger Senior Designer Games & Youth Electronics von Mattel höchst persönlich anwesend, um seine beiden Spiele VOLTAGE und DESERT BAZAAR vorzustellen. Habe ich am Stand von Richard Breese etwa den Stefan Brück der Mattels getroffen?
Gut sieht es aus, sein VOLTAGE, düster und auch etwas anders, auf jeden Fall meilenweit entfernt vom deutschen Geschmack. Kein Mittelalterthema und glatt gebügelte Eierpopeier-Grafik, vielmehr steht Strom im thematischen Mittelpunkt. Auf beiden Seiten der vier Felder des Spielplans darf man Karten anlegen. Einige Spezialkarten nur auf Seiten des Gegenspielers, weshalb man sich deren Einsatz gut überlegen sollte. Liegen auf beiden Seiten eines Feldes insgesamt fünf Karten, gibt’s eine Zwischenwertung. Liegt der Spielstein auf dem Feld mit der Plus-Seite oben, gewinnt die Seite mit den höheren Karten. Ist die Spannung negativ, geht es nur um die niedrigeren Werte. Wer vier Reihen erobert, gewinnt auch die Partie. 10 Minuten, das war's.
Was im Verlauf an Dynamik und Taktieren um die Werte ins Spiel kommt, verschwindet ganz schnell wieder. Denn immer, wenn man eine Karte mit Oszilloskop vom Nachziehstapel nimmt, darf und wird man die Spannung auf einem Feld ändern: Von positiv zu negativ und umgekehrt. Da verpufft die Spannung sofort, was gerade noch gut war, ist jetzt schlecht und alles andere sowieso dann egal. Der Zufall regiert die Welt von Volt, Ampere und Ohm. Strom fließt, aber Spannung fehlt. (wf)

VOLTAGE von Brian Yu für 2 Personen, Mattel 2006

Zuerst veröffentlicht in der Fairplay

Sonntag, 24. September 2006

+ Kleopatra und die Baumeister


Liveticker einer Partie

22:25
Server Unavailable.
22:24
Damit verabschiedet sich der Rezensent von der ersten Live-Berichterstattung. Auf Wiedersehen. Der Rezensent trägt jetzt immer eine Schutzweste.
22:23
Auch der letzte Mitspieler hat das Spielzimmer des Rezensenten enttäuscht und verärgert verlassen. Der Rezensent fragt sich, ob sie wiederkommen werden. Gibt es nach diesem Fiasko für diese Runde noch eine Zukunft?
22:22:41
Die Mitspieler und der Rezensent versuchen den Anschlag und das Spiel schnellstmöglich zu vergessen.
22:22:40
Der Rezensent öffnet sein Hemd. Die Mitspieler sehen nach, warum es nicht blutet. Der Rezensent trägt eine Schutzweste: „Sponsored by Days of Wonder“
22:22:39
Es fließt kein Blut. Die Mitspieler machen sich Sorgen. War der Obelisk nicht spitz genug?
22:22:38
Die Mitspieler warten weiter auf Blut.
22:22:35
Die Mitspieler warten auf Blut.
22:22:34
Der Rezensent stöhnt weiterhin vor Schmerz.
22:22:30
Mit voller Wucht rammt er aufgebracht dem Rezensenten den spitzen Obelisken in die Brust.
22:22:20
Der Freund des Ausdembauchspielens ist gar nicht tot und greift sich den Obelisken. Der Rezensent fragt sich, warum die Krokodile ihn nicht gefressen haben. Ist er zu zäh, weil schon zu alt?
22:22
Die Stimmung kippt gegen den Rezensenten. Dummerweise verrät er, dass es in einer anderen Runde genauso gelaufen ist. Dem Rezensenten wird vorgeworfen, vorsätzlich und wider besseres Wissen diese Graupe auf diese Spielrunde los gelassen zu haben.
22:13
Endlich ist das Spiel vorüber. Alle sind glücklich! Der Freund des Ausdembauchspielens wird den Krokodilen vorgeworfen. Er hat sich nicht um Korruptionsamulette geschert. Die anderen reden von Blendwerk und gestohlener Zeit.
21:51
Server Unavailable.
21:50
Die Mitspieler gähnen. Der Rezensent stämmt sich gegen die allgemeine Schläfrigkeit und erzählt von diesem großartigen Spiel und dem opulenten Material. Die Mitspieler schenken ihm keinen Glauben mehr. Der Rezensent gerät ins Zweifeln.
21:49
Spannung liegt keine mehr in der Luft.
21:10
Server Unavailable.
21:09
Der nächste Mitspieler denkt über seinen Zug nach ...
21:07
Der nächste Spieler hat bereits vorausgedacht und will seinen Zug schnell durchziehen. Leider kommt er mit dem Handling durcheinander. Welche Karten braucht er für den Thron und welche für den Obelisken? Der Mitspieler stöhnt, es fehlt ihm eine Karte. Übersehen! Er muss neu nachdenken, womit er nach kurzem Ärgern sofort beginnt.
21:06
Der Mitspieler vollendet endlich seinen Zug.
21:04
Der nächste Mitspieler wird aus der Unterhaltung gerissen und denkt ebenfalls über seinen Zug nach. Die anderen fangen an zu maulen, dass KLEOPATRA UND DIE BAUMEISTER ja ein reines Optimierungsspiel mit Null Interaktion sei. Der Freund des Ausdembauchspielens wird ausfällig und redet das Spiel schlecht. Der Rezensent versucht die Wogen zu glätten und weist auf die vielen Optionen hin. Die Spielrunde hält die Optionen für zu kompliziert, wo doch sowieso alles nur von den Karten abhängt.
21:03
Der Mitspieler vollendet auf Drängen des Rezensenten seinen Spielzug und ist unglücklich. Er ist unschlüssig, ob das auch wirklich der beste Zug war und versinkt wieder ins Grübeln.
21:02
Der Mitspieler denkt immer noch nach. Ein anderer Mitspieler erzählt vom Wochenende.
20:59
Der Rezensent entschuldigt sich für die Verzögerung. Ein Mitspieler denkt über seinen Zug nach. Sie haben nichts verpasst.
20:45
Server Unavailable.
20:44
Es geht los. Karten vom Markt holen oder im Steinbruch ein Objekt errichten? Alle rennen zum Markt, es sind viel zu wenig Karten auf der Hand. Was kann man damit machen? Grübeln ... bevor man überhaupt ans Bauen denken kann. Nach jedem Marktbesuch werden die Stände wieder aufgefüllt. Drei Marktstände füllen sich unterschiedlich. Pro Marktstand variiert die Anzahl der Karten – ob aufgedeckt oder nicht. Dem Rezensenten gefällt die Idee mit den zwei Kartenstapeln für den Markt. Ein offener wird mit dem verdeckten Stapel zusammen gemischt. Der Rezensent hält das für eine pfiffige Idee, die Mitspieler pflichten bei.
20:42
Ohne das Spiel zu spielen, halten es die Mitspieler für überfrachtet.
20:35
Viele Nachfragen verzögern den Anfang. Sind alle Resourcenkarten gleich verteilt? Nein. Welche Bedeutung haben die Sonderkarten? Die Mitspieler befragen die Spielhilfe. Was ist mit den Korruptionsamuletten? Wer am Ende die meisten hat, wird von den Krokodilen verspeist und hat verloren. Und warum muss man im Steinbruch nach jeder Bauphase würfeln? Jedes gewürfelte Ankh wird beiseite gelegt. Ist auf allen fünf Würfeln das Symbol zu sehen, wird der Hohepriester mit Geld bestochen. Wer am höchsten bietet, verliert Korruptionsamulette, wer zu wenig bietet, erhält welche dazu. Was ist mit dem Mosaik der Götter? Wer damit eine Fläche auf dem Dach des Palastes eingrenzt, die nicht mehr überbaut werden kann, darf dort eine seiner beiden Statuen platzieren und kann bei Spielende für jedes unbebaute Feld ein Korruptionsamulett abgeben. Gibt es noch mehr Details? Ja, jede Menge. Die Mitspieler stöhnen.
20:30
Es besteht Hoffnung, dass alle die komplizierten Regeln verstanden haben. Wofür man welche Karten braucht, steht auf Spielhilfen. Jeder bekommt eine. Es beginnt eine Diskussion, warum dieses und jenes diese Karten und nicht andere Karten kostet. Die Mitspieler geraten über die vielen unterschiedlichen Karten in Verwirrung. Die Spielgeschichte wirkt aufgesetzt, die Kosten für die Bauabschnitte willkürlich gewählt. Sockel und Thron kosten 3 Handwerker, 2 Marmorplatten und 2 Lapislazuli. Und warum braucht man dafür keine Steinblöcke? Erste Tendenzen, das Spiel abzukanzeln.
20:03
Die Gruppe ist sich einig: Das Plastik sieht billig aus. Der Rezensent hat Mühe die Regel zu erklären.
20:02
Die ersten ketzerischen Äußerungen über die Qualität des Materials.
20:01
Die Mitspieler treffen ein und bewundern voller Ehrfurcht das opulente Material. Es gibt genug Stühle in der Küche. Es kommt zu keinem Gedränge.
20:00
Die Übertragung beginnt. Herzlich willkommen zum ersten Liveticker einer Spielerezension. Es begrüßt Sie am Live-Ticker (heute als Rezensent) Wolfgang Friebe.
19:55
Der Rezensent begutachtet immer noch KLEOPATRA UND DIE BAUMEISTER von Bruno Cathala und Ludovic Maublanc. Die Mitspieler sind noch nicht da. Viel Material ist in der Kiste. Sphinxen, Obelisken, ein Thron samt Podest, Säulenwände und der Türrahmen sind aus Plastik. Die Mosaiken der Götter, die Währung und die Korruptionsamulette sind aus Pappe. Der Schachtelboden wird umgedreht zum Palast. Dem Rezensenten gefällt das Material.
19:40
In wenigen Augenblicken beginnen wir mit der Übertragung.


Zuerst veröffentlicht in der Fairplay

Samstag, 23. September 2006

Rezension: Ave Caesar

Ein Todgeweihter grüßt dich

Sie sind hier nicht im falschen Film, nur in einem der bereits lange läuft. Seit 1989, 17 geschlagene Jahre werden Pferde gepeitscht und Wagenrennen gefahren. Nicht von mir, Gott behüte. Aber es muss tatsächlich wen geben, der es über diesen langen Zeitraum nicht ohne konnte. Seit ebay ist es offenkundig. Aus aller, mehrheitlich aus der fernen Welt, sind Spieler heiß auf dieses Spiel, zahlen teilweise astronomische Preise. Oder muss ich jetzt sagen: zahlten. Denn nach der japanischen gibt es jetzt sogar eine deutsche Neuauflage. Nicht von der viel besseren Fortentwicklung AUSGEBREMST, sondern von dem Urspiel. 17 lange Jahre hat sich Pro Ludo Zeit gelassen. Und in 17 langen Jahren hat sich meine Meinung zu diesem Spiel nicht geändert. Auf so viel Kontinuität bin ich wirklich stolz. Allerdings habe ich mein AVE CAESAR auch 17 lange Jahre in meiner Sammlung ignoriert. Wie dämlich, denn mir sind ein Haufen Mäuse durch die Lappen gegangen. Neulich habe ich es sogar wieder heraus geholt ... und gespielt? Wo denken Sie hin?! Ich hab's nur mit der aktuellen Neuauflage verglichen. Und mit der neuen Auflage dann doch gespielt. Einfach um zu prüfen, ob ich mir meiner Meinung sicher sein kann.
Die Regel ist nur marginal überarbeitet worden, der übergroße Teil ist wortwörtlich übernommen. Wir sind ja Profis und haben gleich so gespielt, wie wir es gewohnt sind Rennspiele zu spielen: In der Reihenfolge der Positionen, erster zieht zuerst, bei gleicher Höhe hat die Innenbahn Vorrang. Drei Karten hat man, eine darf man ausspielen: Das Gespann ein bis sechs Felder ziehen und möglichst so stehen bleiben, dass man die Mitspieler blockiert oder auf die längere Außenbahn zwingt. Mauern zwischen den einzelnen Bahnen sind dazu sehr hilfreich. Der Führende darf keine „Sechs“ ausspielen. All das – wenige – hatten wir ganz schnell wieder drauf.
Nur wer halbwegs optimal spielt schafft es nach einmaligem Halt in der Boxengasse ins Ziel. So weit die graue Praxis, die bunte Theorie der Regel ließ uns stutzen. Gibt es in der Regel nicht Indizien, die gegen unsere Spielweise sprechen. Eine klare Regelung?! Pustekuchen, die Rennen gehen im Uhrzeigersinn um den Parcours und nach dem ersten Zug „bringen auch die übrigen Mitspieler ihre Gespanne ins Rennen.“ Was heißt das jetzt? Doch in Sitzreihenfolge, damit es mehr Gedränge auf der Bahn gibt? Also in Sitzreihenfolge gespielt ... hat's aber auch nicht rausgehauen, selbst nach 17 Jahren tauchten dieselben fragenden Blicke auf. Ist das wirklich alles? Ist das Altersstarrsinn? Fehlt uns die Jugend, um an das Schöne im Spiel zu glauben?
Pro Ludo hat es doch tatsächlich fertig gebracht, die um ein Feld längere Rennbahn vor der Brücke so uneindeutig zu gestalten, dass wir erst ausdiskutieren mussten, ob das Feld hinter der Brücke weitergeht oder ob es doch zwei Felder sind. Und wie ist das mit dem neuen Wassergraben? Unsere Meinung: Ist nur Optik und ansonsten ignorieren! Genauso wie die Bäume in der Arena. Überhaupt gibt es nur noch zwei Strecken, eine auf der Vorder- und eine auf der Rückseite des Plans. Eine ist optisch anspruchsvoller. Diese Bahn hat aber nur ein Feld mehr als der banale Rundkurs und ebenso viele Engstellen, auf denen ein Gespann alle nachfolgenden ausbremsen kann. Das konnten die Ravensburger besser, immerhin vier verschiedene Bahnen für unterschiedliche Mitspielerzahlen und übersichtlicher Gestaltung zieren den Plan auf Vorder- und Rückseite. Zumal die Gespanne in der Ravensburger Arena tatsächlich in ganzer Länge auf ihren Feldern Platz haben. Und die gleichen Figuren stecken auch in der Neuauflage. Hat die niemand ausgemessen und die Maße an die Grafik gegeben? 17 Jahre haben offensichtlich nicht gereicht, um den Plan nicht doch noch mit heißer Feder zu zeichnen. Und das Cover? Wäre da nicht der hässliche gelbe Balken mit dem Pro Ludo Logo, man könnte es für gelungen halten.
Beim alten AVE CAESAR ging es 17 Jahre um die Optik, beim Neuen auch um den Spielreiz. Wofür macht man sonst eine Neuauflage? Aber wo soll der denn jetzt herkommen, wenn man nichts ändert? Aus der Auswahl unter drei Handkarten? Aus dem Zittern, das Ziel noch zu erreichen? Das Spiel ist so dermaßen banal und absolut nicht mehr mit aktuellen Spielen konkurrenzfähig, dass ich mich frage, wer heute noch zu AVE CAESAR greifen soll? Mein achtjähriger Sohn vielleicht, aber das Spiel ist erst ab 12. Ich habe mich nach drei abgebrochenen Rennen nicht mehr getraut, das Spiel auf den Tisch zu legen. Das nächste Gespann hätte mich sonst niedergetrampelt.

Wolfgang Friebe

AVE CAESAR von Wolfgang Riedesser für 3 bis 6 Personen, Pro Ludo 2006


Zuerst veröffentlicht in der Fairplay

+ Augsburg 1520

Das Spiel, das mich nicht mag

Dann ist ja alles klar. Soll sich dieses junge Ding man ja nicht einbilden, dass es das einzige Spiel sei. Nur weil es aus guter Familie ist, meint es wohl, sich seine Verehrer aussuchen zu können. Wenn es mich als Verehrer nicht will, dann eben nicht. Legen Sie wert auf gute Abstammung? Ist mir doch so was von egal. Wer mich nicht mag, den mag ich auch nicht. So!!! Schuld? ... trage ich keine. Was habe ich nicht alles angestellt?! Alles probiert, immer wieder. Am liebsten würde ich es gleich nochmal spielen, hier und jetzt und mit Ihnen. Was soll ich denn machen? In meinen Spielkreisen kam es nicht wirklich an. Aber okay, ich gebe dem Spiel noch eine Chance. Ich würde sogar meine Mitspieler austauschen: Weg mit den gesättigten Vielspielern, weg mit den unbedarften Familienspielern. Weg mit meinem kommunikativen Damenkränzchen. Sind Sie jetzt mein Mitspieler oder nicht!? Sie sind also definitiv männlich und Ihr Verlangen nach jungen ... Spielen ist ungebrochen?


Nicht nur die Vielspieler stören sich am Aufbau, an dem ganzen Brimborium am Anfang. Hier ein Stäpelchen mit diesen Plättchen, dort ein Stapel mit soundsoviel Plättchen für soundsoviel Mitspieler. Und hier eine Sorte Karten, da noch eine andere. Und was liegt dann alles auf dem Spieltisch? Ein Spielplan mit Wertungsleiste, für jeden ein Spielertableau zur Plättchenablage, Stapel hier und Stapel dort. Für Familienspieler bedarf es schon eines gewissen missionarischen Eifers, Profispielern ist das alles doch zu umständlich ... für ein Versteigerungsspiel.


Die Versteigerung ist eigentlich nicht unpfiffig. Die Karten, mit denen man um die Gunst von fünf Adligen pokert, muss man erst kaufen. Geld ist knapp, und wertvolle weil hochwertige Karten sind teuer. Und bekommt man die überhaupt auf die Hand? Nur wenn man sich bestimmte Ämter verschafft und behält, kann man unter einer größeren Kartenzahl wählen. Aber Ämter sind eben nicht alles. Wie so oft sind Ämter und Geld nur das Mittel zum Zweck. In Augsburg spielen ganz andere Dinge eine Rolle, und das sind Titel. Aufstieg äußerte sich damals nicht nur in Geld, sondern maß sich an Adelstiteln – Freiherr, Graf, Fürst. Haben es die Fugger eigentlich so weit gebracht? Adelstitel gleich Siegpunkte, so einfach ist die Formel zum Sieg.


Wenn da nicht das ganze Drumherum wäre. Mit den erkauften Karten muss man erst um Privilegien steigern. Nur wer die wertvollsten oder meisten Karten einem der fünf Fürsten anbieten kann, kommt an Ämter, Einkommen und Adelstitel. Also wird geboten ... oder gepokert. Wer eine hohe passende Karte hat, bietet nur eine Karte. Da spielt die nicht unbegründete Hoffnung eine Rolle, dass alle das Gebot halten und auch genau eine Karte bieten. Niemand wird gezwungen zu überbieten. Die Höhe der Karte zählt. Dumm nur, wenn einer mit seiner einen kleinen Karte das Tor zum „Halten“ ganz weit öffnet. In Augsburg gilt: Wer hinten sitzt, hat mehr vom Pokern. Wer kleine Karten in ausreichender Menge auf der Hand hat, wird das Erstgebot mit Masse – mehr Karten - überbieten. Das muss man, schließlich wird man mit kleinen Karten in der Regel nix. Überhaupt sollte man mitbieten, denn als unterlegener Zweit- und Drittbieter erhält man mit 100 bzw. 50 Gulden aus der Kasse. Diese paar Mäuse sind ein nicht zu verachtendes Zubrot.


Vier von fünf Adligen ist eine Kartenfarbe zugeordnet, nur für Maximilian gelten alle Farben. Wer in den ersten vier Auktionen nicht zum Zuge gekommen ist, kann mit dem wenig wählerischen Maximilian noch sein Glück machen. Allerdings sind zu diesem Zeitpunkt auch schon vier der fünf Privilegienkarten an die Mitspieler verteilt. Wer bei Philipp – dem ersten der Reihe – am besten um seine Gunst pokert, hat die große Auswahl. Also was tun? Karten von Philipp bunkern? Ich würde mein Geld nur in hochwertige Karten gleich welcher Farbe stecken, damit ich nicht bei allen Auktionen leer ausgehe. Oder in teure Joker, damit lässt sich flexibel die Kartenanzahl steigern und ebenso flexibel ein Konkurs herbei führen. Und selbst wer häufig in den Bietrunden leer ausgeht, steht zumindest in den nächsten Runden mit immer mehr Karten da. Da sollte es doch gelingen, an mindestens eine Privilegienkarte zu kommen. Zwei der drei Privilegien pro Karte darf man nutzen: Ämter, Faktoreien, Titel oder manchmal auch nur Bargeld.


Ohne Geldnachschub läuft bei AUGSBURG 1520 fast nichts, man muss auch auf Faktoreien und damit auf mehr Einkommen setzen. Ganz einfach aus dem Grund, dass man auf jeden Fall zweimal seine Gottesfurcht beweisen muss, und die war damals teuer. In die Wertungsleiste sind Barrieren eingebaut. Über 25 Punkte hilft nur eine Kirche, über 45 Punkte nur ein Dom hinweg. Selbst wenn man viele Siegpunkte aufgrund von Adelstiteln macht, so bleibt einem der Zutritt zu höheren Weihen verwehrt. Natürlich ist es für den ersten Kirchen- bzw. Domstifter besonders teuer. Der Preis fällt jedoch nach jedem Neubau. Das passt prima ins Spiel und sorgt dafür, dass es eben nicht ein Windhundrennen um die begehrten Adelstitel geben müsste. Gibt es aber doch, weil irgendwann im Spiel einer die Hatz auf die Titel eröffnet. Besonders die Adelsbriefe und Wappen sind lukrativ, denn wer hier zuerst zuschlägt, erhält Runde für Runde die höheren Punkte. Vorausgesetzt Kirche und später der Dom stehen rechtzeitig. Natürlich muss man für ein Wappen einen gräflichen und für den Adelsbrief einen fürstlichen Titel vorweisen ... den man auch den anderen wieder wegschnappen kann und muss.


Aber bitteschön immer aufs eigene Portemonnaie achten. Es haben sich schon viele vollständig bei der Jagd auf Titel verausgabt, ganz einfach, weil sie noch nicht die nötige finanzielle Potenz hatten. Es fehlte einfach an Kohle für die darauf folgenden Kartenkäufe und die beiden Bauprojekte Kirche und Dom. Runde um Runde guckt man dann in die Röhre. Aber wann ist der richtige Zeitpunkt für die Jagd auf Titel und damit Siegpunkte? Wenn man sich mit Gulden vollgesogen hat, sind die anderen längst auf und davon. Sollte man einen Frühstart riskieren, nur um schon weit vor der Zielgerade abgefangen zu werden? Wer mit Siegpunkten davon zieht, wird sicherlich ganz schnell herausragende Ämter und Titel verlieren. Zwischen diesen Polen zu lavieren, erfordert Pokerface, Planung und ein gewisses Maß an Zurückhaltung. Aus irgendeinem Fernsehfilm über einen Geldgeber, der von seinem adligen Schuldner letztlich zugrunde gerichtet worden ist, habe ich das Motto für dieses Spiel: Umkreise den Weinberg, aber betrete ihn nie. So ähnlich ist das mit der vermeintlichen Siegposition. AUGUSBURG 1520 spielt sich am besten aus der Hinterhand, aber es ist so verdammt schwierig, den richtigen Zeitpunkt fürs eigene Vorpreschen einzuschätzen. Zumal einem da schon längst einer zuvor gekommen sein könnte. Deshalb ist viel Frust im Spiel, auch weil nur und ausschließlich die anderen immer so lange überlegen müssen.


Natürlich habe ich diesem Spiel mein Herz geöffnet, ganz ohne Ansehen von Gestalt, Thema und Autor. Wegen des anspruchsvollen Spielgeschehens und der stimmigen Geschichte. Das bin ich dem Verlag schuldig. Ein Spiel von Alea darf kein Vielspieler ignorieren, denn was wäre die Welt der Spiele ohne Alea? Daraus erwächst Verpflichtung ... für beide Seiten. Aber kann sich ein Verlag jedes Jahr selbst übertreffen? Muss Alea das leisten?


Ich hab' sogar die längliche Regel vorab durchgeackert und mehrfach gelesen. Die vielen Details und einige verschlungene Formulierungen haben mir reichlich Mühe abverlangt. Deshalb war sie gleich da, eine erste Ahnung dunkler Wolken. Die Regel ist wie ein Barometer: wichtig für den ersten Eindruck und erste Tendenzen. Der Start in diese Beziehung wird nicht einfach, zumal auch viel, sehr viel von den Mitspielern abhängt. Aber ich habe gekämpft und mich gut vorbereitet, damit meinen Mitspielern die Zeit fürs Regelerklären nicht zu lang wurde. Für alle Wissbegierigen steht am Schluss der Regel nochmal eine Doppelseite mit speziellen Regeln und Hinweisen. Spätestens an dieser Stelle waren die dunklen Wolken nicht mehr nur eine Ahnung.


Ich hab' Stimmung für das Spiel gemacht, an das Gewissen der Vielspieler appelliert. An mir hat es nicht gelegen. Aber wie soll ich auch meine Normalspieler und vor allem -spielerinnen mit diesen Argumenten für ein Spiel begeistern? Für diese Runden zählt nur eines: Ist das Spiel gut oder nicht? Ist es einfach zugänglich oder nicht? Kommt gleich Spannung auf oder nicht? Vielleicht hätte AUGSBURG 1520 eine Chance, wenn man sich in einer lange Ehe aneinander gewöhnt. Heutzutage sind die schnellen Verführer ganz hoch im Kurs ... all die Spiele, die einem genau die Mühe abverlangen, die man mühelos aufbringen kann. Die große Liebe, die auf den ersten Blick funktioniert.

Wolfgang Friebe


AUGSBURG 1520 von Karsten Hartwig für 2-5 Personen, Alea/Ravensburger 2006


Zuerst veröffentlicht in der Fairplay